23. Mär. 2020

Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie

Gesetzentwurf in Arbeit

Die Corona-Pandemie führt absehbar – oder bereits eingetreten – zu zahlreichen, wegen der Einmaligkeit der zugrundeliegenden Problemstellungen bislang ungeregelten Rechtsfragen und Rechtskonflikten.

Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck an einem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, welches in den nächsten Tagen beschlossen werden soll. Aus den im Internet (Stand 22.3.2020) verfügbaren Hinweisen, in einem Fall mit Download-Möglichkeit des Textes des Gesetzentwurfs (www.rrt-recht.de/corona-gesetzesentwurf) ergibt sich die anzunehmende Ernsthaftigkeit des Gesetzesvorhabens, mit dessen Beschluss und Inkraftsetzung in wenigen Tagen zu rechnen ist.

Daher unsere Empfehlung:

Warten Sie mit anstehenden Entscheidungen und Dispositionen (z.B. bezüglich der Ladung zu General- oder Vertreterversammlungen oder der Ingangsetzung des Verfahrens zur Feststellung des Jahresabschlusses, ferner mit etwaigen Dividendenzahlungen oder der Bestellung von Organmitgliedern mit ablaufenden Amtszeiten) noch einige Tage ab, um von den zu erwartenden Erleichterungen Gebrauch machen zu können.

Sobald der offizielle Gesetzestext vorliegt, werden wir uns substantiiert dazu äußern und Empfehlungen für unmittelbar anstehende Entscheidungen, aber auch im Hinblick auf Gestaltungsfragen z.B. bezüglich Satzungen und Vertragsverhältnissen abgeben. Wir werden uns hierbei vorrangig auf genossenschaftsrechtliche und zivilrechtliche Fragen konzentrieren. Zu mietrechtlichen Themen werden wir in Anknüpfung an unseren Newsletter vom 20. März 2020 auf die Kanzlei Lützenkirchen Rechtsanwälte, Köln verweisen.

Zu den Regelungsentwürfen, soweit sie uns aus öffentlich verfügbaren Quellen vorliegen, im Einzelnen:

Zum Genossenschaftsrecht sind insbesondere wegen der Einschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten von Personen folgende vorübergehenden Erleichterungen geplant:

  • Einberufung der Vertreter- oder Generalversammlung über die Internetseite der Genossenschaft oder durch unmittelbare Benachrichtigung in Textform, auch wenn dies in der Satzung nicht vorgesehen ist (Abweichung von § 46 Abs. 1 Satz 1 GenG).

  • Durchführung von Versammlungen ohne physische Präsenz oder Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen, jeweils auch ohne entsprechende Satzungsregelungen (Abweichung von § 43 Abs. 7 Satz 1 GenG).

    Der Vorstand soll in diesem Fall dafür sorgen, dass der Niederschrift gemäß § 47 GenG ein Verzeichnis der Mitglieder, die an der Beschlussfassung mitgewirkt haben, beigefügt ist und bei jedem Mitglied, die Art der Stimmabgabe vermerkt wird.

  • Feststellung des Jahresabschlusses auch durch den Aufsichtsrat (Abweichung von § 48 Abs. 1 Satz 1 GenG).

  • Der Vorstand einer Genossenschaft soll mit Zustimmung des Aufsichtsrats nach pflichtgemäßem Ermessen eine Abschlagszahlung auf die Auseinandersetzungsguthaben ausgeschiedener Mitglieder oder auf eine zu erwartende Dividendenzahlung leisten können. § 59 Absatz 2 des Aktiengesetzes gilt entsprechend.

  • Vorübergehender Fortbestand bestimmter Organbestellungen, sollten diese ablaufen, ohne dass neue Organmitglieder bestellt werden können. Die Anzahl der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats darf weniger als die durch Gesetz oder Satzung bestimmte Mindestzahl betragen.

  • Sitzungen des Vorstands oder des Aufsichtsrats sowie gemeinsame Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat sollen auch ohne Grundlage in der Satzung oder in der Geschäftsordnung im Umlaufverfahren in Textform oder als Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden können.


Im Zivilrecht soll vorgesehen werden, dass:

  • voraussichtlich für einen Großteil der Schuldverhältnisse - ausgenommen Arbeitsverträge, Mietverträge, Darlehensverträge, Pauschalreiseverträge, Verträge für die Luft- oder Eisenbahnbeförderung von Personen - bis zum 30. September 2020 ein Leistungsverweigerungsrecht für Schuldner begründet wird, welche die Ansprüche im Zusammenhang mit Verträgen, die vor dem 8. März 2020 geschlossen wurden, wegen der Folgen der COVID-19-Pandemie nicht erfüllen können.

  • für Mietverhältnisse über Grundstücke oder über Räume das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen eingeschränkt wird. Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. September 2020 sollen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen dürfen. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete soll im Gegenzug im Grundsatz bestehen bleiben.

  • für Darlehensverträge eine gesetzliche Stundungsregelung gilt und nach Ablauf der Stundungsfrist eine Vertragsanpassung mit der Möglichkeit für die Vertragsparteien, eine abweichende Vertragslösung zu finden, eingeführt wird. Dies soll von einem gesetzlichen Kündigungsschutz flankiert werden.

Sollte sich herausstellen, dass der Zeitraum von April bis September 2020 nicht ausreichend ist, um die wirtschaftlichen Folgen der Krise abzumildern, soll dem Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz die Möglichkeit eingeräumt werden, die vorgesehenen Befristungen im Wege einer Verordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bis höchstens zum 31. Juli 2021 zu verlängern.


Für das Insolvenzrecht ist vorgesehen, dass

  • die Insolvenzantragspflicht und die Zahlungsverbote bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden, es sei denn die Insolvenz beruht nicht auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie oder es besteht keine Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit.

  • Anreize geschaffen werden, den betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen zu diesen aufrecht zu erhalten.

  • für einen dreimonatigen Übergangszeitraum das Recht der Gläubiger ausgesetzt wird, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sowie die Regelung zum Eröffnungsgrund bei Insolvenzanträgen durch Gläubiger sollen im Verordnungswege bis zum 31. März 2021 verlängert werden können.

gez. A. Busch  und  Dr. H.-W. Kortmann

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